Dienstag, 16. Februar 2010

Ein paar Worte zu meiner Arbeit

Was bedeutet "Qualität der Pflege" in einem Altenheim? Viele Kleinigkeiten: z.B. dass die Zimmer von Bewohner sauber aufgeräumt sind, dass die Bewohner ständig Getränke bekommen, dass die Untergewichtige zusätzliche Mahlzeiten zwischendurch bekommen, dass die Bewohner betreut sind, mit ihnen spricht jemand, geht auf ihre Wunsche an... ach ja, und am wichtigsten: dass jede Schritt ganz genau dokumentiert ist, in Computer eingetragen, in unzählige Mappen eingeheftet.
Denn die Prüfer schauen in erster Linie auf Dokumentation und nicht auf das, ob der Alte sich einsam und verlassen fühlt...

Also mit "Qualität der Pflege" ist alles klar. Haken ist nur: diese Qualität wird überall nur durch kostenlose Arbeit von Menschen erreicht.
Früher arbeitete ich bei Caritas, da waren ständig kostenlose Kräfte dabei: Praktikanten, 1-Euro-Jobber. Ich war auch schon mal in dieser Position. Diese Menschen arbeiten nur aus Hoffnung einmal in die richtige Arbeitsverhältnisse zu kommen.
Manchmal waren in einem Wohnbereich 2-3 von diesen unbezahlten Menschen, und sie haben die gute Qualität ermöglicht: Bewohner hatten immer die Getränke vor sich, den Bedürftigen wurde Essen und Trinken gereicht, Gesellschaftspiele und Spaziergänge durchgeführt, alles mögliche abgewaschen usw.
Für Pflegepersonal ist das einfach unmöglich wegen Zeitmangel.

Jetzt arbeite ich in einem privaten Heim, und bei uns gibt es nur sehr selten Praktikanten und keine 1-Euro-Jobber.
Deswegen wird oben genannte Qualität durch kostenlose Arbeit von Mitarbeitern erreicht.
Wenn meine Schicht 7 Stunden dauert, wird davon immer nur 6,5 Stunden bezahlt, denn ich laut Gesetz eine Pause haben soll. Nur ein Problem: keiner von uns macht die Pause. Wir arbeiten einfach durch. Wir haben keine Zeit um hinzusetzen, etwas trinken und essen. Also schenkt jeder Mitarbeiter jeden Tag dem Heimbesitzer 0,5 Stunde von kostenloser Arbeit.
Das ist nicht alles. Wenn Schicht bis 13.00 dauert, gehe ich meistens um 13.30 oder 14.00 nach Hause. Und das ist auch wieder "ganz normal". "Alle machen so, wieso sollst du anders machen- das wäre unkollegial".
Man darf gehen - in die Pause oder nach Hause - "nur wenn ganze Arbeit gemacht ist".
Ich habe die Wahl: in die Pause gehen, aber dann z.B. Dokumentation für spätere Zeit lassen und halbe Stunde später nach Hause abhauen.
Etwas dagegen unternehmen? Jawohl! Wir sprechen mit Chefs, und die machen nur große Augen: natürlich, IHR SOLLT die Pausen machen, das ist doch ihr Recht.
Und "ihr sollt" auch pünktlich Feierabend machen.
Nur, fügen sie hinzu, die Arbeit muss gemacht werden.
Und zu Arbeit gehört die Qualität. Also muss ich alles gewährleisten: Getränke, Sauberkeit, Zwischenmahlzeiten, besondere Aufsicht auf manche Bewohnern, Schränke aufräumen, und das alles zwischendurch, außer eigentlichen Aufgaben (Waschen, Anziehen, Toilette, Essen verteilen usw). Und das kann man nur gewährleisten, wenn man mehr arbeitet, als es bezahlt wird. Anders geht nicht!
Das System ist einfach so eingerichtet. Die Chefs können keine Leute mehr einstellen, mehr wird nicht von Pflegekasse bezahlt. Es gibt einfach unrealistische Erwartungen an Pflegepersonal, die nur erfüllt werden können, wenn jemand unbezahlte Leistungen bringt, sei es 1-Euro-Jobber oder einfach Pflegepersonal.
Wir haben meistens befristete Arbeitsverträge. Und wir sind alle trotzdem sehr glücklich, dass wir einen Arbeitsplatz haben. Bei Pflegehilfskräfte bekommen dabei die Bezahlung 7,5 Euro pro Stunde, was für manche so viel wie Hartz-4 bedeutet.
Nur manchmal denke ich, dass es hier etwas nicht stimmt.
Schließlich bei Kommunismus werden die Leute auch nicht wegen Geld arbeiten sollen. Sondern weil sie nützlich sein wollen, und die Arbeit interessant ist. Das ist auch gut so.
Nur in dieser Gesellschaft fühlt man sich dann wie ein Dummer... Weil meine Kinder und ich - wir brauchen einfach dringend Geld, und das fehlt uns gewaltig. Und die Leute, die von mir kostenlose Arbeit verlangen, haben dieses Problem nicht.

2 Kommentare:

  1. Ja. Genauso. Genau diese Gedanken und Gefühle hatte ich bei meiner letzten Arbeitsstelle auch. Ich bin davon krank geworden. So krank, dass ich nicht mehr arbeiten konnte.

    Ich bin im Sozialismus groß geworden, da gab es ständig Mangel an Arbeitskräften, weil einfach soviel Arbeit da war... Auch heute ist die Arbeit da, aber ein paar Geizhälse sitzen auf ihren Säcken voll Geld, rücken es nicht raus und unsereiner geht daran kaputt.

    Statt dass neue Erfindungen, Maschinen und Computer für die Entlastung der Menschen eingesetzt werden, werden sie dafür genutzt, die Menschen noch mehr unter Druck zu setzen. Das ist falsch, das ist krank, das ist unmenschlich.

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  2. Das stimmt. Ich versuche trotzdem durchzuhalten...
    Komischerweise bei Sozialismus habe ich so gut wie nie kostenlos gearbeitet. Ich glaube, einmal in der Schule Praktika, ein Monat oder so.
    Ich habe angefangen mit 15 Jahre (für Spaß, nicht weil Geld nicht reichte!) als Sanitäterin zu arbeiten, und bekam schon normale Gehalt.
    Auch Praktika beim Studium wurde bezahlt.
    Auch notwendige landwirtschaftliche Arbeiten, als Hilfe für Bauern am Herbst, die wurden uns auch bezahlt!
    Für Studium selbst gab es auch Stipendium.
    Also ich habe viel gearbeitet, und immer nur für Geld.
    Und natürlich ja, auch bei Schwierigkeiten war immer Gefühl da, dass unser Land ist eine große Familie, gerade weil wir gleich sind, die materielle Unterschiede sind nicht so groß.

    Komischerweise höre ich hier, in kapitalistischem Land ständig, dass ich nicht für Geld arbeiten soll, sondern aus anderen Gründen. Und das sagen die Leute, die Wohlstand genießen.

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